Indonesien ist überall

Die Malerei von Ami Amongsari ist wie ein Blick in immer wechselnden Bildern zurück auf ihre indonesische Heimat. Es scheint, daß die Trennung von Indonesien, von Java, wie ein Katalysator auf ihr Schaffen wirkt.

Ihr künstlerisches Studium an der Alanus Hochschule in Alfter / Deutschland schließt sie mit einer Thematik ab, die diese Wurzel ihrer Kunst in ein Motiv bringt, das jenen Blick auf ihre Heimat zentriert, auf die Darstellung einer archaisch anmutenden Lebensform, die es in Borneo immer noch gibt: das Leben im Langhaus. Erlebnisse, welche Ami Amongsari im Jahre 1994 während eines mehrmonatigen Borneo-Aufenthaltes in der Gemeinschaft eines dörflichen Langhauses hatte, schlagen sich in beeindruckenden Bildern nieder; in dieser Serie gelingt es ihr, persönliche Erinnerungen über subjektive Bilder hinauszuheben und umzuschmelzen in Motive von archaischer Allgemeingültigkeit. Während frühere Bilder noch Impressionen landschaftlicher Motive zeigen, steht nun der Mensch - bzw. die Menschengruppe im Zentrum. Dabei wird der Bildraum als farbiges Ereignis wie auf einen Schlag zum Ausdruck für das, was zwischen Menschen strömt. Im Gespräch weist Ami Amongsari darauf hin, daß dieser Farbraum, in den die Figuren eingebunden und wie vereinigt sind, nicht die äußere Umgebung des Langhauses darstellt. Dort gebe es nicht jenes reiche Farbenspektrum, welches die Bilder durchzieht, man finde dort beispielsweise kaum Blütenpflanzen. Die Farbigkeit sei Ausdruck dessen, was die Menschen verbindet als innere Freude. Dem europäischen Auge mutet diese Bildwelt an wie ein Blick in das verlorene Paradies.

Ein zentrales Gemälde aus der Serie verstärkt diesen Eindruck durch seinen symmetrischen Aufbau: mit dem Blick des Betrachters bewegt sich ein farbiger Menschenstrom zentrisch durch das Tor eines Langhauses. Hier ereignet sich ein vitaler Klang aus hellen und dunklen, kalten und warmen Farbtönen. Er wird besäumt und dadurch gesteigert von zwei erdfarbenen Schildern zu beiden Seiten. Diese bilden gemeinsam mit einem Querbalken den oberen Bildrand, welcher mit kleineren Schildern und einem Schlangenkopf bestückt ist, eine Art Rahmen, der den ursprünglichen Blick in die Raumtiefe mit der Ebene der Bildfläche verschmelzt. Durch dieses Bannen in die Zweidimensionalität wird der äußere Raum quasi zum Seelenraum.

Bild: Eingang Langhaus
Berührend ist, daß dieser aus der europäischen Malerei der klassischen Moderne bekannte Schritt zur Fläche sich hier vor einem biografischen Hintergrund vollzieht, der wie eine Umkehrung jener Migrationsbewegung ist, die so manche europäische Malerseele zu Beginn der Moderne aus dem düsteren Norden in wärmere, lichtere Weltgegenden gezogen hat, wo sie das zu finden hoffte, was sie auf der Leinwand suchte. Exemplarisch ist diesbezüglich das polynesische Exil des Paul Gauguin.

Das Verlassen der sowohl klimatisch als auch in gesellschaftlicher Hinsicht wärmeren indonesischen Heimat, ihr "Deutsches Exil", scheint für Ami Amongsari eine Voraussetzung dafür zu sein, das indonesische Lebensgefühl wie mit einem Blick aus der Ferne in jenes Bild des Langhauses zu prägen.

Bild: Schlangenkopf 2 Das erwähnte zentrale Werk wirkt wie ein Fundus, aus dem sich nun weitere Werkzyklen entwickeln. Der Schlangenkopf, der den Eingang des Langhauses bewacht, wird in der Serie "Schlangenköpfe" (Weimar 1999) beispielsweise zum Gegenstand einer Bildserie. Hier wird das Motiv ganz aus Farbstimmungen heraus grafisch neu entwickelt. Sowohl auf farblicher als auch auf kompositorischer Ebene zieht sich eine Aussage durch das Werk, die wohl als zentrale Botschaft der Künstlerin gewertet werden kann: dies ist die nicht nur malerische Erfahrung, daß aus räumlicher Bedrückung (dies ist die Enge des Langhauses ebenso wie eine in Deutschland mitunter erlebte soziale Kühle) Kraft und Energie entstehen kann. In dem Zyklus "Begegnung mit Weimar (1999) wird jene räumliche Enge und der Ernst, welcher sich im Langhausmotiv ausdrückt, in ein überstrecktes Hochformat von acht Bildern verwandelt. Hier ereignet sich Vitalität unter bedrängenden äußeren Bedingungen. Die nun meist primären Farbklänge scheinen das begrenzende Format fast sprengen zu wollen.

Bild: Begegnung 2 Aktuelle biografische Erfahrungen in der weimarer Zeit liegen hier zugrunde: der Verlust gewohnter Lebenszusammenhänge und soziale Ungewißheit, wie sie in Ostdeutschland nach der politischen Wende in den neunziger Jahren erlebt wurden, wurden in Ami Amongsari's Freundeskreis umgeschmolzen in zwischenmenschliche Wärme. Hier zeigt sich nun, daß jenes im Langhausmotiv erstmals angeschlagene Motiv des klingenden Farbraumes zwischen Menschen nicht ein rückwärts gerichteter Blick in paradiesisch-archaische Lebensformen ist: die Wärme des Langhauses ereignet sich in der Gegenwart, Borneo ist auch in Weimar, ist überall.

Bild: Erdgewebe 3 Die Unabhängigkeit jener verwandelnden Kraft äußert sich nun in einem konsequenten Schritt, der das Werk von Ami Amongsari in den letzten Jahren kennzeichnet: sie malt nun mit Erde, die sie an verschiedenen Orten Europas gesammelt hat. In dem Zyklus "Erdgewebe" (2002) wird die Enge des auch hier gewählten Hochformates durch die Vereinigung von acht Bildern überwunden: wie ein farbig-musikalischer Rhythmus überziehen die warmen Klänge des Erdpigmentes die Leinwände, Räume werden verbunden, Staub von verschiedenen Orten mischt sich zu einem grafischen Geflecht, das weit über das Bildgeschehen hinausgeht. Die Frage, ob sie denn auch indonesische Erden gesammelt habe, beantwortet Ami Amongsari mit ja - aber das Beutelchen mit dem heimischen Pigment habe sie verloren. Indonesien ist überall.

Jochen Breme
Dozent der Alanus-Hochschule - Alfter